Problematik

Der Obstanbauer ist gewohnt, seine Bäume im Verlauf der Vegetationsruhe zwischen November und März zu schneiden. Im unbelaubten Zustand hat man den besten Überblick über die Krone. Man erkennt Kronenaufbau, Astwinkel und Alter des Triebwachstums. Trotzdem ist es angebracht, über den Sommerschnitt zu reden.

Was ist Sommerschnitt ?

Hierunter ist der Schnitt im Verlauf der Vegetation, d. h. im belaubten Zustand, zu verstehen. Entweder handelt es sich dabei um wesentliche Eingriffe, bei denen aus Gründen eines ungünstigen Kronenaufbaus oder einer notwendigen Verjüngung ganze Äste entfernt werden, oder es werden Jungtriebe entnommen, die sich aus dem Astring einer Schnittfläche des vorhergehenden Winters entwickelt haben. Eine andere Form des Sommerschnitts ist das Freischneiden von Früchten, damit diese besser belichtet und besser ausgefärbt werden und damit einen höheren Gehalt an Extraktstoffen erreichen.

Vorteile des Sommerschnitts:

1. Im Verlauf der Vegetationsperiode ist ein Gehölz befähigt, ausgehend vom Bildungsgewebe unterhalb der Rinde, laufend neue Zellen zu bilden. Schnittflächen nach Sommerschnitt zeigen daher einen schnelleren Wundverschluss und sind weniger durch Fäulniserreger gefährdet!
2. Ein Schnitt im belaubten Zustand hemmt das Triebwachstum von Bäumen, weil weniger organische Stoffwechselprodukte gebildet und im Speichergewebe eingelagert werden. Gleichzeitig mit der Hemmung des Triebwachstums werden Blütenknospen durch bessere Belichtung und Nährstoffversorgung gefördert. Sommerschnitt ist daher eine geeignete Maßnahme zur Erziehung kleinerer Kronen und zur Förderung sowohl qualitativ als auch quantitativ besserer Erträge.

Zeitpunkt des Sommerschnitts:

Obwohl die Wachstumsreaktion je nach Schnittzeitpunkt unterschiedlich ist, können Gehölze in der Regel über längere Zeiträume hinweg geschnitten werden, ohne Schaden zu nehmen. Ausnahmen liegen bei besonders empfindlichen Gehölzen vor. Gehölze mit starkem Saftdruck wie Walnuss, Birke, Ahorn und Goldregen sollten nicht im Frühjahr, sondern ab August oder September geschnitten werden. Die Süßkirsche antwortet bei Winterschnitt häufiger mit Gummifluss als bei einem Schnitt im Spätsommer. Junge, mastige Kernobstgehölze können einige Zentimeter zurückfrieren, wenn auf den Winterschnitt mit Temperaturen unterhalb -9 bis -12°C starker Frost folgt. Für solche Gehölze ist der Schnitt während der Frühjahrsmonate sinnvoll.

Formen des Sommerschnitts, die Ende Juni bzw. Anfang Juli praktiziert werden können, sind der in Holland zuerst praktizierte Juni-Knip und der Sommerriss. Beim Juni-Knip werden diesjährige Triebe etwa um die Hälfte eingekürzt, um das Triebwachstum zu hemmen und eine Förderung der Blütenknospenanlage herbeizuführen. Diese Maßnahme kann je nach Obstart, Veredlungsunterlage und Standort auch einen Neuaustrieb der angeschnittenen Triebe bewirken, so dass man im ersten Jahr der Anwendung dieses Schnittprinzips an einigen wenigen Ästen die Auswirkungen des Juni-Knip auf dem jeweiligen Standort ausprobieren sollte. Beim Sommerriss werden unerwünschte diesjährige Triebe, die auf der Astoberseite oder neben Schnittflächen herangewachsen und zum genannten Termin noch nicht verholzt sind, mitsamt der an der Triebbasis anhaftenden Beiaugen ausgerissen. Durch die Beseitigung der Beiaugen sind im darauf folgenden Jahr wenige Neutriebe zu erwarten.

Wenn ab Mitte August die Triebe abgeschlossen haben und kein Neuaustrieb nach Schnittmaßnahmen zu befürchten ist, können Astpartien entfernt werden, die auch bei einem Winterschnitt entnommen würden. Außerdem ist es ab dem genannten Zeitpunkt auch angezeigt, zur Verbesserung der Fruchtqualität und der Fruchtausfärbung, die Astpartien zu entfernen, die die Früchte beschatten.

Quelle: Werner Ollig, Gartenakademie Rheinland-Pfalz